Text
Zara Pfeifer
Good Street! & Du, meine konkrete Utopie
Text by Maxie Fischer
In Good Street! zeigt Zara Pfeifer eine Parallelwelt, die vom Straßenverkehr und globalen Warenströmen geprägt ist. Für die Serie begleitet sie seit 2018 LKW Fahrer auf ihren Routen durch ganz Europa und gibt Einblicke in ein Berufsfeld, das von Gegensätzen bestimmt scheint: die Geschwindigkeit des Lasters, die Weite der Autobahn, aber ein Leben und Arbeiten auf engsten Raum; der Effizienzdruck der Transport- und Logistikbranche und das langsame Verstreichen der Zeit auf einer tagelangen Fahrt; ein Job in ständiger Bewegung, der es erfordert ausdauernd und konzentriert am Steuer zu sitzen. Mit ihren Fotografien beschreibt Zara Pfeifer die alltäglichen Routinen, die körperliche Selbstdisziplin und das Bedürfnis nach Rückzug und Komfort. Im Verborgenen hingegen bleibt die Fracht, die hinter ihren Bildkompositionen verschwindet. Die Ladefläche, mal in Kolonne als opake Kuben oder als Leinwand horizontal das Bild durchdringend, wirkt gleichermaßen abstrakt wie die Mechanismen des weltweiten Kapital- und Warenverkehrs.
Für Du, meine konkrete Utopie recherchiert Zara Pfeifer zwischen 2013 und 2017 in der Wohnsiedlung Alterlaa, eine der größten Satellitenstädte Österreichs. Diese entstand Mitte der 1970er Jahre nach den Entwürfen von Harry Glück am Stadtrand von Wien und offenbart in Gesprächen mit dort lebenden Personen eine besonders hohe Wohnzufriedenheit. Zara Pfeifer widmet sich nicht nur der äußeren Erscheinung der Terrassenblöcke mit ihren 3.200 Wohneinheiten, ihr Fokus liegt auf den Clubräumen, die ein Leben in Gemeinschaft ermöglichen sollen. Sie untersucht, inwiefern Architektur die Interaktion und Verbundenheit zwischen Menschen fördert und welche Wechselwirkungen notwendig sind, um neben den Freiluftpools auf dem Dach auch vermeintlich unattraktive und fensterlose Kellerräume mit nunmehr 32 Vereinen zu bespielen. Ihre Bilder zeigen eine ganz eigene Schönheit, die das soziale Miteinander und die vielfältigen Interessen der Bewohnerschaft ebenso widerspiegeln wie die Ideen der Moderne von Wohnkomfort, erschwinglichem Luxus in Beton mit frischer Luft, Wasser und Grün für alle.
Thematischer Ausgangspunkt für die Arbeiten von Zara Pfeifer ist das Verhältnis von Mensch und Raum. Ob Wohnkomplexe, Baustellen, Speditionsverkehr, ihr Interesse gilt baulichen und infrastrukturellen Gefügen im Großmaßstab sowie den kleinteiligen, oft unbemerkten und von Menschen ausgeführten Prozessen in diesen Großformen. In ihren Langzeitprojekten geht sie der Frage nach, inwiefern Architektur soziales Handeln in einer individuellen und gesellschaftlichen Dimension beeinflusst. Dafür fügt sich Zara Pfeifer in die Welt ein, die sie dokumentiert, nicht nur als stille Beobachterin, sondern als aktiv Beteiligte. Es ist ihr Anliegen, die räumlich-sozialen Strukturen von Innen heraus zu verstehen, Personen über längere Zeiträume zu begleiten, Veränderungen wahrzunehmen und nicht zuletzt die eigene Position als Fotografin durch ihre teilnehmende Präsenz zu relativieren. Ihre Arbeit umfasst neben der Fotografie auch Interviews sowie Video- und Tonaufnahmen. Sie hält Vorträge und initiiert Gesprächsrunden, in denen die abgebildeten Personen selbst zu Wort oder miteinander in Kontakt kommen. Auf diese Weise eröffnet Zara Pfeifer einen Diskursraum, in dem die Themen ihrer Fotografien auch über das Bildliche hinaus Resonanz finden.